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Winterdienst auf steirischen Bergstraßen

Winterzeit ist Rallyezeit. Ähnlich wie die Waldviertler Schratte mischt Kurt Schimitzek die Herausforderungen des Winters mit dem Wunsch der Teilnehmer der lästigen Sekundenklauberei zu entkommen. Und organisierte eine wirklich sportliche Veranstaltung in der Obersteiermark.

Eigentlich wintert „man“ sein historisch wertvolles Fahrzeug spätestens im Oktober sorgsam ein, um es im April wieder aus der wohltemperierten Garage zu holen und behutsam zum Leben zu erwecken. Wenn „man“ nicht der Erstbesitzer des Fahrzeuges ist, lässt man ihm oft die Pflege und Zurückhaltung beim Betrieb angedeihen, von welcher dieses in seiner „aktiven“ Zeit oft nicht einmal träumen konnte. Autos waren damals zum Fahren da, das Wetter konnte man ja nicht aussuchen, d.h. auch im Winter fuhr man recht und schlecht – und die Fahrzeuge haben es überlebt, sonst gäbe es sie heute wohl nicht mehr.

Dies zu den Fahrzeugen. Nun zu den Fahrern. Einerseits entmündigen die modernen Fahrzeuge mit allen „-matics“ den Fahrer und andererseits sind die aktuellen Gleichmäßigkeitsbewerbe für historische Fahrzeuge eine Amputation des Gasfußes, Fahrfreude wird reglementsbedingt verboten. Was tun, wenn „man“ trotzdem  Fahrfreude bei einschätzbarem Risiko haben will? Man fährt nach einiger Selbstüberwindung mit (s)einem Oldtimer bei Winterbewerben mit, weil dort Fahrfreude bei relativ geringen Geschwindigkeiten garantiert ist, und rein mechanischer Antrieb, Bremsen und Lenkung in Verbindung mit moderner Reifentechnik berechenbare Fortbewegung erlauben.


Buntes Treiben hinter dem Hotel Post in Aflenz

So gibt es seit ca. 10 Jahren eine steigende Anzahl von Winterbewerben – wir haben in lancianews mehrfach davon berichtet -, die sich zunehmender Beliebtheit erfreuen. Die Herausforderungen sind abhängig vom Profil der Veranstaltungen unterschiedlich, aber so reizvoll, dass Kälte außerhalb und im Auto, nicht ausreichende Heizung, mangelnde Traktion, beschlagene Scheiben, frühe Dämmerung als Sahne auf dem Kuchen gesehen werden.


Fahrzeug des Fahrtleiters Kurt Schimitzek vor dem Start als „Aufmacher

2008 war Ihr Berichterstatter als Funktionär bei der ersten steirischen Winterrallye unterwegs gewesen – siehe Bericht „Wein predigen, und Spritzer trinken“ im Drivers Journal. Nach einem verfrühten Frühlingseinbruch schmolz der meiste Schnee auf den Straßen und es konnten von den 12 Pionieren nur wenige winterliche Fahrbahnen befahren werden, was dem Spaß keinen Abbruch tat. 2009 war es noch weiniger winterlich, sogar nach Verschiebung war der Schnee auf den Straßen fast Mangelware. Aber 2010 hatte Frau Holle Einsehen und ließ ab Anfang Jänner ausreichend Schnee auf die steirischen Berge rieseln, der Veranstalter konnte aufatmen, als bis Anfang Februar über 30 Mutige ihre Nennung abgegeben hatte. Und das Wetter hielt fast durch, am Abend des ersten Fahrtages begann es zu regnen, in höheren Lagen zu schneien – der Bewerb wurde seinem Namen gerecht.

Auf der gut gemachten Homepage www.winterrallye.at können Sie alle Details zur Veranstaltung nachlesen, wohl garniert mit werbewirksamen Aufmunterungen und Verweis auf die autosportliche Vergangenheit, die sich in der steirischen Bergwelt abgespielt hatte. Die Herausforderung war einfach: Vergesst die Sekundenbruchteile, Minuten reichen zur Differenzierung, statt anfechtbarem Roadbook gab es eine kompilierte Kartensammlung, mit Hilfe derer die Teilnehmer die Kontrollpunkte finden sollten und jede Menge schmaler Bergsträßchen, die geräumt waren, aber durchgehend winterliche Fahrbahnen aufwiesen.

Und es wurden vom Veranstalter sorgsam alle Straßen mit sportlicher Vergangenheit ausgesucht, sodass sich „Historisch Gebildete“ in die Rallyezeit der 1960er-Jahre zurückversetzt vorkamen. An zwei Fahrtagen (Tag 1 von 14:00 bis 23:00 Uhr, Tag 2 von 9:30 bis 18:30 mit Pausen) waren ca. 750 km in 35 Etappen mit 20 Wertungsprüfungen zurückzulegen. Von den 30 Startern erreichten 25 das Ziel in Aflenz, es gab nur einen Ausrutscher, nach dem das Fahrzeug nicht mehr weiterfahren konnte. Sichtlich waren alle Teilnehmer ausreichend vernünftig, soweit man beim Erklimmen einer vereisten, gut gestreuten Bergstraße bei Regen um 22:30 Uhr noch von vernünftig sprechen kann.

Doch auch die Funktionäre hatte ihre Rallye zu bestreiten, weil sie die Kontrollpunkte nicht über die kürzere Wettbewerbsstrecke erreichen konnten, sondern große Umwege zum Umfahren der Berge machen mussten. Der Berichterstatter hatte am zweiten Fahrtag den frisch verschneiten Pfaffensattel zwischen Steinhaus und Rettenegg zu bewältigen, um die Kontrolle in Ratten zu besetzen. Wie es Freund Peter Pech, der auch mit seinem hinterradgetriebenen Kombi als Funktionär unterwegs war, treffend beschrieb: es leuchteten alle Elektronik-Kontrolllampen, ABS rumpelte, die Motorregelung griff bergauf „hilfreich“ durch Drosselung ein – und vor mir ein BMW 2002tii mit Sperrdifferenzial und Spikes, der querstehend den Berg hinaufdriftete.


„Gemütlicher“ Arbeitsplatz Zeitkontrolle Graden um 19:00 Uhr

Die an den Start gehenden Fahrzeuge waren eine bunte Mischung aus „normalen“ Oldtimern und für die Winterbewerbe speziell ausgerichteten Autos, die Spaß im Schnee versprachen. So waren „Heckschleudern“ die bevorzugten Antriebskonzepte: drei Ford Escort, ein Cortina, drei VW Käfer, drei Porsche 911, drei BMW 2002, drei Volvo – nur ganz wenige Fronttriebler waren unterwegs: Fiat 128, Fulvia 1,3 S und ein Beta Montecarlo als Mittelmotorauto.


Breitenstein am Semmering, eine der wenigen ZK mit Wartezeit

Natürlich gab es ein Klassement = Sieger und verhinderte Sieger (Ford Escort RS 2000 vor MG-B und Opel Ascona), gestresste Funktionäre, aber auch steirische Gastlichkeit und spürbare Sportfreundschaft- und atmosphäre – bis in die frühen Morgenstunden wurden die Erlebnisse beim Warten auf die Preisverteilung erzählt. Hoffen wir, dass die kaufmännische Rechnung des Veranstalters aufgeht und er 2011 die vierte Winterrallye Steiermark ausrichten kann. Denn fast die gesamte Organisation war familiy business, Kurt Schimitzek und Familie Prein hatten mit einer Handvoll Freunden unter Aufbietung aller Kräfte aus Spaß an der Sache die Kosten minimiert!

Die oben gezeigten Fotos des Berichterstatters sind als Platzhalter für die offiziellen Fotos des Veranstalters anzusehen, denn so dünn war die Personaldecke doch nicht, dass nur Amateurfotos geschossen wurden. Untenstehend zwei Aufnahmen von Johann Voglwww.motorsportphoto-hanse.at – sie sollen Ihren Gusto auf mehr wecken und Ihnen den Winter in den steirischen Bergen „live“ zeigen!


Ehepaar Gesslbauer auf Beta Montecarlo  – 5. Platz


P. Pretsch/M. Offner auf Fulvia 1,3 S – 8. Platz

Neben dem Eingang des Hotels Post (Karlon) in Aflenz war die noch kurze Ehrentafel der Winterrallye Steiermark angebracht:


Geschichtsbewußtsein des Veranstalters

 

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