Ein sehr persönlicher Abschiedsgruß
von Helmut Neverla, der Harry Källström gut kannte und bei seinen Österreicheinsätzen betreute
Start zur 1000 Minuten Rallye 1970: Harry Källström und Gunnar Haggbom
Auf unseren Nachruf auf Harry Källström vom 17. September 2009 haben wir erfreulich viele Reaktionen erhalten. Die Person, sein Aussehen und Auftreten, seine Erfolge und seine loyale Verbundenheit mit seinen Dienstgebern, hier vor allem mit Lancia zwischen 1968 und 1973, haben viele Menschen, die am Motorsport interessiert sind, beeindruckt. Ich habe auf Herbert Völkers Bücher hingewiesen, in denen der Autor den Weg des schweigsamen Schweden mit viel Sympathie und Bewunderung beschrieben hat.
Die Anzahl der Zeitzeugen im deutschen Sprachraum ist gering, umso mehr freut es uns, dass wir in Österreich mit einen Zeitzeugen haben, der mehrere geschäftliche und „private“ Kontakte zu Harry Källström hatte. Der untenstehende, sehr persönliche Nachruf soll die Verbundenheit mit dem Lenkradvirtuosen, dem profilierten Lancia-Legionär und dem Menschen innerhalb und außerhalb der Fulvia zeigen.
Ich sitze in meinem Arbeitszimmer, schaue mir das 1000 Minutenbuch von Ernst Marquart an und suche die Seiten mit Bildern von Harry Källström. Unmittelbar vor der Rallye der 1000 Minuten 1970 hatte ich zum ersten Mal Kontakt mit Harry Källström. Wie viele ja wissen, war ich damals bei der Wiener Firma Karl Obrecht, der einzigen Lancia-Werkstätte in Wien, angestellt und wurde von Karl Obrecht dazu vergattert, das Lancia Rallyeteam (HF Squadra Corse) vor der Rallye zu betreuen. Nachdem alle Fahrer und Beifahrer bis auf Simo Lampinen bereits am Wochenende vor dem Start in Wien anwesend waren, wurde in einem feinen Italienischen Restaurant der Fahrplan für die restliche Woche besprochen. Ich kannte Källström nur vom Zuschauen (Alpenfahrt 1970) und mit seinem treuherzigen Dackelblick konnte ich mir bei besten Willen nicht vorstellen, dass er einer der schnellsten Lancia-Piloten war und 1969 die RAC-Rallye ziemlich überlegen gewonnen hatte (dasselbe sollte er ein paar Wochen später wiederholen). Was mir damals aufgefallen ist, dass er und sein Copilot Gunnar Haggbom starke Raucher waren und Källström einem (oder auch mehreren) Gläsern Bier nicht abgeneigt waren. Das tat aber seiner fahrerischen Stärke keinen Abbruch.
Bei der Rallye waren Källström/Haggbom etwas vom Pech verfolgt, weil sie nach einem Defekt (Auspuffgase im Wageninneren) Strafpunkte kassierten und nur Vierte wurden, knapp ein Monat später gewannen sie mit derselben Fulvia (TO B98534) die RAC Rallye zum zweiten Mal.
Harry Källström hatte einen Spitznamen von der schwedischen Presse bekommen und zwar „ Sputnik“. Diesen Namen bekam er deshalb, weil sein Aufstieg im Rallyesport so schnell wie ein Satellit war. Källströms Vater war ebenfalls Rallyefahrer gewesen und war 1952 Rallyemeister in Schweden. Källström Junior fuhr mit Vaters altem Auto 1957 seine erste Rallye und war nur einen Platz hinter dem Senior platziert. Bei seiner zweiten Rallye wurde der Junior bereits Klassensieger und dritter im Gesamtklassement.
1963 fuhr er zum ersten Mal die RAC-Rallye und wurde auf Anhieb zweiter im Gesamtklassement auf einem VW 1500 hinter Tom Trana auf Volvo 544, die nächsten Jahre war er bereits „Werksfahrer“ beim schwedischen BMC-Generalimporteur. 1966 erreichte er auf Mini Cooper wieder den zweiten Platz bei der RAC, diesmal hinter Söderström/Palm auf Lotus Cortina.
1967 pilotierte er für Renault Schweden einen R8 Gordini (erstmalig mit Gunnar Haggbom als Beifahrer) und wurde vierter beim Coupe des Alpes in Frankreich, achter bei der 1000 Seen Rallye in Finnland. 1968 kam er als Werksfahrer zu Lancia. Bei seiner zweiten Rallye, verfehlte er den Sieg nur um Haaresbreite. 1969 war wahrscheinlich sein stärkstes Jahr, denn er war viermal auf der obersten Stufe der Siegertreppe zu finden (San Remo, Marathon de la Route, Spanien und Großbritannien) und wurde damit Rallyeeuropameister. Gegen Ende dieses Jahres war auch dann endlich die 1,6 HF homologiert und als Abschluss des Jahres gewann er erstmals die RAC Rallye. 1970 konnte Harry den RAC Sieg wiederholen und stand noch fünfmal auf dem Siegerpodest (Mediterrane, San Remo, Vltava, Polen und San Martino di Castrozza).
1971 sahen wir einander dann wieder beim Training zur Österreichischen Alpenfahrt, wo wir in Kärnten Nachtmalessen gingen und einen sehr netten Abend verbrachten. Eines möchte ich noch zu Harry sagen: er konnte keine einzige Fremdsprache und deshalb war Gunnar Haggbom sein Manager, Soldverhandler und Co-Pilot in einer Person. Je länger der Abend wurde desto besser verstanden wir uns, denn Harry’s Englisch und mein Schwedisch wurden immer besser. (ich kann außer Smörrebröd kein Wort Schwedisch)
In diesem Jahr waren Lancia und Harry weniger erfolgreich. Ein einziger Stockerlplatz in Schweden und einige Platzierung unter den ersten zehn waren die magere Ausbeute 1971. Aber der 8. Platz bei der Safari war nach Aaltonen/Liddons 9. Platz 1969 die zweite Bestätigung, dass Lancia auch in Ostafrika durchhalten konnte.
Auch das Jahr 1972 brachte nur wenige Erfolge für Harry. Von neun Starts war er nur dreimal im Ziel (Schweden, Elba und RAC), dafür Ausfälle in Monte Carlo, Acropolis, Alpenfahrt und San Remo). Lancia errang in diesem Jahr u.a. durch Siege in Monte Carlo (S. Munari), Marokko (S. Lampinen) und San Remo (A. Ballestrieri) die Markenmeisterschaft der FIA.
In diesem Jahr trafen wir einander beim Training für die Elba-Rallye. Willi Bisek und ich fuhren einen Salzburger Werkskäfer und trafen am frühen Vormittag Källström und Haggbom beim Training. Er lud uns auf einen Drink ein, der dann bis nach Mitternacht dauern sollte. Willi und ich sind dann bei der Rallye nach der ersten SP ausgefallen, und in der Zwangsrast trafen wir Harry mit einem Glas Bier in der Hand, er war ziemlich gut drauf und es hatte ihm anscheinend gut getan, denn er wurde zweiter bei dieser Rallye.
1972 durfte ich wieder die HF Squadra Corse bei der Österreichischen Alpenfahrt betreuen und musste dafür unter anderem Harry vom Flughafen in Wien-Schwechat abholen. Das war für mich ziemlich lustig, denn ein völlig betrunkener Harry Källström kam aus dem Flugzeug und versuchte mir vom Flughafen bis zum Start- und Zielort in Baden bei Wien zu erklären wie schlecht das Flugzeug geflogen war und er seine Angst mit Whisky hatte vertreiben müssen.
1973 startete Harry Källström nur noch zweimal für Lancia, bei der Monte Carlo (8.Platz) und in Schweden (4. Platz). Ab diesem Rallyejahr hatte Källström auch einen neuen Beifahrer, denn die „Rallyeehe“ mit Gunnar Haggbom hatte sich totgelaufen. Die Schwedenrallye war in diesem Jahr besonders schwierig, da zum ersten und einzigen Mal ohne Spikes gefahren wurde, und die Fulvia mit ihren negativem Sturz und zu breiter Spur nicht in die ausgefahrenen Glasen hineinpasste und jeder Meter auf dem glatten Untergrund ein Ahaerlebnis wurde.
Im selbem Jahr gab es für Källström noch eine bittere Niederlage. In einem Datsun 1800 SSS fuhr er die Safarirallye und im Ziel waren er und Shekar Mehta nach mehr als fünftausend Kilometer zeitgleich nach Nairobi eingefahren. Nach sechsstündiger Beratung wurde Harry zeitgleich Zweiter, da das Reglement sehr ungenau war, um am Ende gegen Källström zu sprechen. (Als Lokalmatador hat ist man immer Favorit).
Weiters wurde er für drei Rallyes von Porsche Salzburg engagiert, für Portugal, Griechenland und die letzte Österreichische Alpenfahrt.
Von 1974 bis 1979 fuhr Harry Källström auf Datsun einige Rallyes und hat 1976 seinen einzigen Weltmeisterschaftslauf (Acropolis Rallye) gewonnen. 1979 hat er nach einem dritten Platz in Griechenland das berühmte Lenkrad international an den Nagel gehängt.
Harry Källström war vor seiner Profizeit als Fahrlehrer in Schweden tätig und ich kann mich erinnern Herbert Völker hat in der „autorevue“ 12/1970 bei seinem zweiten RAC-Sieg das Fahrlehrerdasein von Harry ungefähr so beschrieben:„Es müßte nett sein, bei ihm das Autofahren zu lernen. Vielleicht sagt er in der ersten Stunde: Das große runde Ding ist das Lenkrad, rechts ist der Schalthebel. Unten links ist die Kupplung, unten rechts das Gaspedal. In der Mitte ist die Bremse, aber es genügt, wenn Sie das Auto vor der Kurve querstellen“. Nach seiner Profikarriere ging Harry zurück nach Schweden, wo er national einige Starts auf verschiedenen Autos bestritt, um dann als Lastwagenfahrer die schwedischen Landstraßen unsicher zu machen.
Harry Källström war ein sehr liebenswerter Mensch und in der menschenunfreundlichen Welt der Profis hat er immer einen gewissen Charme behalten. Ich glaube die Rallyewelt verliert mit seinem plötzlichen Ableben (Herzinfarkt) eine schillernde Persönlichkeit und das Starterfeld auf der Milchstraße wird leider immer größer.
Ich danke Dir Harry, dass ich Dich kennen lernen durfte, und Du wirst mir ewig in Erinnerung bleiben.
Helmut J. Neverla / 9.2009
PS: Die Fotos sind aus dem Archiv des Technischen Museums Wien, Nachlässe Arthur Fenzlau und Erwin Jellinek. Siehe auch „Wie breit sind 1000 Minuten?“, Purkersdorf, 2007 und „Fulvia in Österreich“, Wien, 2009.